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Inhaltliche Abschrift eines Manuskriptes durch B. Daenicke 10.08.92
Entstehung und Ausbau der gemeinnützigen
Siedlungsgenossenschaft im Finowtal GmbH (Stand ca. 1924)
Verfasser: Wilhelm Dänicke, Mitbegründer und seit dem 1. Mai 1922 Geschäftsführer der Genossenschaft
Als nach Beendigung des Weltkrieges der Gedanke auftauchte, nun wieder an den inneren Aufbau und an die Belebung unserer Wirtschaft zu denken, stand auch der Wohnungsbau im Vordergrund, denn während des ganzen Krieges hatte die Bautätigkeit im Wohnungsbau fast vollständig geruht. Nur die Industrie hatte ihre Werke durch die ungeheuren Gewinne ganz bedeutend vergrößert, die ihnen damals von Seiten des Staates zuflossen, während der andere Teil der deutschen Bevölkerung vollständig verarmte und auch noch seine schwer erworbenen Spargroschen opfern mußte. Durch die Geldentwertung war es nicht leicht für einen Arbeiter oder einen kleineren Beamten, sich trotz Staatszuschüsse für den Bau eines Eigenheimes zu entschließen.
In dieser Zeit, im Jahre 1920, wurde auch im Kreise Oberbarnim vom Herrn Landrat eine Aufforderung an die Gemeinde erlassen, daß sich Siedlungslustige melden möchten. Es hatte sich auch ein kleiner Trupp von Männern in Lichterfelde gefunden, die bereit waren, am Wohnungsbau mitzuhelfen, um sich ein Eigenheim zu schaffen. Es wurde uns von unserem Herrn Gemeindevorsteher eröffnet, uns doch zusammenzuschließen und dann mit dem Kreis in Verbindung zu setzen. Er selbst sei mit Arbeiten so überlastet, daß er auch nicht noch diese Arbeit übernehmen kann.
So haben wir uns entschlossen, einen Siedlungsverein zu gründen, welches am 17.Juni 1920 geschah. Wir setzten uns nun mit dem Kreis in Verbindung und es hatte den Anschein, als wenn wirklich ein gedeihliches Zusammenarbeiten vor sich ging. Als die Sache ernst zu werden anfing und es daran gehen sollte, für die Siedlungsbauten das nötige Land zu beschaffen, mußten wir bald einsehen, daß wir in dieser Hinsicht vom Kreis nichts zu erwarten hätten, da es sich nur um Land des Herrn Oldenburg Januschau gehörig handeln konnte. Bei den Verhandlungen, die diesbezüglich stattfanden, zeigte es sich recht deutlich, daß wir vom Kreis nichts zu erwarten hätten, denn der Herr Landrat erklärte, wenn wir uns mit dem Lande nicht begnügten, was uns der Herr von Oldenburg freiwillig gibt, dann müßten wir es sein lassen. Andere Wege, Land zu beschaffen, gibt es nicht. Bei uns stand jedoch die Voraussetzung fest, nur ein Eigenheim zu schaffen, wo wir für unsere Mühe und Arbeit auch Friede und Freude, auch Wohlergehen ernten, was aber in dem uns zugewiesenen Sumpfgelände nicht möglich war. Zumal dieses Gelände am stärksten mit Nebel belegt wird und daher auch ungesund ist. Auch in der Herstellung der einzelnen Häusertypen war eine Einigung mit dem Kreis nicht zu erzielen. Zumal uns dauernd und immer wieder die Holzhäuser empfohlen wurden, wofür wir alle nicht zu haben waren. Auch von Selbsthilfe wollte man nichts wissen.
Unsere Verhandlungen waren bald auf dem toten Punkt angelangt und es mußte ein neuer Weg gefunden werden, um das angefangene Werk zu vollenden. Um auf den richtigen Weg zu kommen, setzten wir uns mit dem Herrn Vorsitzenden des Reichssiedlerverbandes, Herrn Buchholz in Verbindung. Hier erhielten wir Auskunft, welche Wege wir am besten einschlagen sollten. Es wurde auch darauf hingewiesen, daß mit dem Siedlungsverein wenig anzufangen sei. Es müßte schon eine Genossenschaft gegründet werden, da diese doch mehr Leistungsfähigkeit besitzt. Obwohl wir Herrn Buchholz zu einem Vortrag im Siedlerverein gewonnen hatten und er auf die Zweckmäßigkeit zur Umbildung des Vereins hinwies, war wenig Neigung vorhanden, da in unserer lieben Gemeinde aus verschiedenen Kreisen eine derartige Gegenpropaganda zum Schaden der Einwohner eingesetzt hatte, daß schon ein großer Teil der Siedler den Mut verlor. So blieb dann der Siedlungsverein bestehen. Seine Hauptaufgabe war nun die Beschaffung von Pachtländereien, Acker und Wiesen für die Industriearbeiter und sein Weiterbestehen konnte nur von Nutzen sein. Inzwischen hatte jedoch die Arbeit für die Landbeschaffung nicht geruht und es war ein Antrag auf Enteignung beim Herrn Bezirkswohnungskommissar bzw. beim Herrn Regierungspräsidenten eingereicht worden.
Es entschloß sich dann ein kleiner Trupp von neun Mann die Gründung einer Genossenschaft vorzunehmen und übernahm auch gleichzeitig alle Arbeiten vom Siedlungsverein, welche nun noch den Siedlungsbau betrafen.
Die Eintragung in das Genossenschaftsregister erfolgte am 08.03.1921 unter der Nr. 108. Es sollte sich auch bald zeigen, daß – wo ein fester und eiserner Wille ist, sich auch ein Weg findet -. Es kam dann eine Mitteilung vom Herrn Regierungspräsidenten, daß wegen der Enteignung des Siedlungsgeländes eine örtliche Besichtigung stattfinden müßte. Bei dieser ersten Besprechung waren vom Herrn Regierungspräsidenten die Herrn Schmidt und Wolfram entsandt worden. Vom Kreis war Herr Baumeister Hoffmann zugezogen worden und von den Hirsch-Kupfer u. Messingwerken waren die Herren Diek u. Baumeister Levi zugegen. Unser Gemeindevorsteher Herr Klockow und drei Vertreter der Genossenschaft waren anwesend. Herr von Oldenburg Januschau hatte den damaligen Gutsverwalter Herr Bogener als seine Vertretung bestimmt. Das geforderte Land war zur Zeit von den Messingwerken gepachtet. Es war eine sehr erregte und doch interessante Aussprache, welche hier stattfand, denn es wurden von der Gutverwaltung so viele begründete Einwendungen gemacht, daß es an’s Lächerliche ging. Das geforderte Land war im Pachtbesitz vom Messingwerk und trotzdem wurde erklärt, daß das Gut ohne dieses Land nicht bestehen könnte. Dagegen wurde von den Vertretern der Messingwerke die Erklärung abgegeben, daß man froh sei, dieses Stück Land los zu werden und deswegen keinerlei Ansprüche auf eine Entschädigung stellen werde. Aus der Notwendigkeit, den Wohnungsbau zu fördern, würden sie gern das Land abtreten und die Sache noch soviel wie möglich unterstützen. Für die Herrn Regierungsräte war es die erste Notwendigkeit, das für und wider, und vor allen Dingen die örtlichen Verhältnisse kennenzulernen, ob ein Siedlungsbau in unserem lieben Lichterfelde notwendig erscheint. Die Vertreter der Genossenschaft waren schon bei dieser ersten Verhandlung von dem größten Vertrauen gegenüber den Vertretern der Regierung beseelt. Aber ob die großen Hindernisse, die sich uns in den Weg stellten, wirklich zu überwinden waren, war auch für uns eine Frage der Zeit. Deshalb wurde von unserer Seite unermüdlich weiter gearbeitet, um nun auch genügend Siedler für unsere Sache zu gewinnen. Wir legten unser Arbeitsfeld zunächst auf Lichterfelde, da hier große Wohnungsnot herrschte und wir hofften, wenn die Einwohner genügend Aufklärung erhalten, würden sie sich an unserer Sache beteiligen. Aber es zeigte sich hier recht deutlich, wie überall in den letzten Jahren, daß gerade in den niedrigsten Volksschichten das gegenseitige Vertrauen fehlt. Man hegte sogar größtes Mißtrauen. Oft mußte man hören: -Ihr macht euch ja lächerlich-. Dagegen hatten Leute, die gegen den Siedlungsbau waren, großen Erfolg. Sie hatten Recht, da es Männer waren, denen man schon Glauben schenken könnte. Es war oft schwer, aber wenn wir 80 Morgen Land beanspruchten, mußte auch die genügende Zahl Siedler vorhanden sein. Es gab also keinen anderen Ausweg, als unseren Wirkungskreis in die umliegenden Ortschaften auszubreiten. Hier war es leicht Siedler zu gewinnen. In der Hauptsache traten von Eberswalde und Heegermühle Siedlungslustige unserer Genossenschaft bei. In kurzer Zeit waren 20 Mitglieder in der Genossenschaft, welche sich dann später auf 46 Genossen vermehrte. Es erfolgte nun der Anschluß an den Verband der landwirtschaftlichen Genossenschaften der Provinz Brandenburg – Berlin.
Das Eintrittsgeld betrug 25 M (jeder), Geschäftsanteil 100 M, Haftsumme ebenfalls 100 M. Die Anzahlung wurde auf 5000 M festgesetzt. Diese Summen wurden dann den Zeitverhältnissen entsprechend erhöht. Der Vorstand und Aufsichtsrat arbeitete unermüdlich weiter, um alle Vorarbeiten zu erledigen. Da alle Arbeiten ehrenamtlich durchgeführt wurden, mußten oft halbe Nächte geopfert werden. Es sollte sich jedoch auch hier das alte Sprichwort bewahrheiten, – ohne Fleiß keinen Preis -. Dann kam die Nachricht, daß wegen der Enteignung des betreffenden Siedlungsgeländes nochmal ein ordentlicher Schlußtermin stattfinden müßte. Hier waren anwesend die Herren von Oldenburg Januschau, die Herren Regierungsräte Schmidt und Wolfram, vom Kreis, Dr. Gressner und drei Vertreter der Genossenschaft. Herr von Oldenburg machte geltend, daß er an drei verschiedenen Stellen Land zur Verfügung stellen würde, aber das geforderte Land könnte nicht abgetreten werden. Es fand nun erstmals eine Besichtigung des angebotenen Geländes statt. Es war dies zum Ersten das Sumpfgelände am Koppelweg, dann die Britzer Berge. Von der Besichtigung des dritten Planes wurde Abstand genommen, da das Gelände am Üdersee lag, also wegen der weiten Entfernung von den Arbeitsstätten nicht in Frage kommen konnte. Auch das geforderte Gelände an der Steinfurter Straße wurde nochmals besichtigt und dann in eine weitere Verhandlung eingetreten. Im weiteren Verlauf der Verhandlungen zeigte es sich so recht deutlich, daß vom Herrn Regierungspräsidenten Männer in die Abteilung des Siedlerwesens gestellt waren, die sich ihrer Aufgabe voll und ganz bewußt waren, und auch von der Notwendigkeit des Wohnungsbaus voll und ganz durchdrungen. Die Herren ließen sich in keiner Weise beirren. Es muß hier besonders hervorgehoben werden, daß sich die Herren Regierungsbaumeister Schmidt und Wolfram, später auch Herr Regierungsbaumeister Fritsche den größten Verdienst an dem Entstehen der Lichterfelder Siedlung erworben haben. In dieser Verhandlung stand die Kreisvertretung noch auf Seiten des Herrn von Oldenburg. Am Schluß der Verhandlungen wurde uns eröffnet, daß in einigen Wochen mit der endgültigen Regelung der Sache gerechnet werden kann. Vom Herrn Regierungspräsidenten wurde dann ein Sachverständiger mit der Festlegung der Bodengüte beauftragt, um den eventuellen Kaufpreis festzusetzen.
Von Seiten der Genossenschaft setzte man sich jetzt, wegen des Entwurfes der einzelnen Häusertypen, mit dem Herrn Professor Mewes in Berlin in Verbindung. Nach Erledigung einiger Meinungsverschiedenheiten wurden dann die Zeichnungen der beiden jetzt gebauten Häusertypen angefertigt und der Regierung zur Genehmigung vorgelegt. Auch der Bebauungsplan wurde später von Herrn Professor Mewis entworfen. Was auf diesem Gebiet von Herrn Professor und seinem Mitarbeiter Emmerich geleistet wurde, kann als ein Meisterwerk bezeichnet werden. Das wurde oft bei Besichtigungen unserer Siedlung anerkannt. Es wird noch mehr zum Ausdruck kommen, wenn erst der Baumbestand der Siedlung größer wird. So wurden auch der Bebauungsplan und die zu erbauenden Häusertypen ohne Einwendungen von der Regierung genehmigt. Inzwischen war uns der Enteignungsbeschluß vom Herrn Regierungspräsidenten zugegangen und das Land an der Steinfurter Straße – 80 Morgen groß – auf dem Enteignungswege zuerkannt worden. Das angebotene Land wurde für den Siedlungsbau als ungeeignet zurück gewiesen. Der festgesetzte Kaufpreis wurde später von der Berufungsbehörde, auf Veranlassung des Herrn von Oldenburg Januschau, erhöht. War diese Berufungsbehörde auch unparteiisch zusammengesetzt, so zeigte sich doch, daß gerade Leute, die sich in der Zeit mit Hilfe von Arbeitern einen Posten errungen hatten, am energischsten für die Erhöhung des Kaufpreises eintraten. Neid ist eine Wurzel allen Übels. Die Vermessung des 80 Morgen großen Geländes wurde von Herrn Landvermesser Wagener aus Eberswalde ausgeführt und jedes Siedlungsgrundstück mit 2 Morgen groß vermessen. Jetzt konnte man daran gehen die Arbeiten für den Siedlungsbau auszuschreiben, jedoch mußten wir bei der stattgefundenen Submission feststellen, daß die Herstellungskosten nach damaligen Verhältnissen recht hoch waren. In gemeinsamer Sitzung wurde vom Vorstand und Aufsichtsrat der Beschluß gefaßt, die gesamte Materialbeschaffung und auch die Ausführung der einzelnen Arbeiten in eigene Regie zu übernehmen, um dadurch Geld zu sparen. Jetzt sollte es sich zeigen, daß noch, wie man hoffte, alle Schwierigkeiten überwunden werden. Hatten die Genossen schon eine ansehnliche Summe Geld aufgebracht, so reichte sie doch bei weitem nicht aus, um das geplante Bauvorhaben zu finanzieren.
Nach vielen vergeblichen Verhandlungen mit Geldinstituten setzten wir uns mit dem Bankhaus Paul Endler – Biesental in Verbindung. Jedoch mußten wir bald einsehen, daß dieses Bankhaus unseren Anforderungen nicht gewachsen war. Auch die hohen Provisionen waren auf die Dauer nicht zu ertragen. So kamen wir über das Bankhaus Endler mit der Landbank Berlin in Verbindung. Diese entsandte als ersten Bearbeiter Herrn Dr. Frohwein hierher, um einen Einblick in unsere Verhältnisse zu erlangen. Es kann wohl mit Recht gesagt werden, daß die Genossenschaft erst jetzt anfing lebensfähig zu werden. Erst als wir die Landbank für unsere Sache gewonnen hatten, ging es langsam vorwärts. Es ist wohl dem Herrn Direktor Ulrich von der Landbank der größte Verdienst an den bis jetzt stehenden Häusern zuzuschreiben. Hatten die geforderten Gelder oft unsere eigene Leistungsfähigkeit überschritten, so konnten wir doch dann bei jeder Besichtigung, die Herr Direktor Ulrich beim Bau unserer Siedlung vornahm, feststellen, wie großes Interesse er zeigte unsere Sache zu fördern und zu helfen. Gelegentlich bei einer Besichtigung, die später Herr Direktor Ulrich gemeinsam mit dem Vorsitzenden des Direktoriums der Landbank Herrn Oberhofkammerrat a.D. Paschke vornahm, sagte Herr Direktor Ulrich: So oft ich diese Siedlung betrete und ich sehe den Arbeitsgeist, der in diesen Leuten steckt und was wirklich an Arbeit geleistet wird, so ist es mir eine Freude, und ich halte es für meine Pflicht, so lange zu helfen, wie es in unseren Kräften steht. Heute noch arbeiten wir gemeinsam mit der Landbank und hoffen in gemeinsamer unermüdlicher Arbeit auch die letzten Häuser fertigzustellen. Auch Herrn Prietzel von der Landbank, der in seiner Abteilung unsere Arbeiten erledigte, kann die größte Dankbarkeit ausgesprochen werden, da er seine Arbeit mit großem Interesse und Aufopferung für uns erledigte.
Nachdem nun die Finanzierung einigermaßen gesichert war, wurde mit dem Bau der ersten sieben Doppelhäuser begonnen, da für die sieben der Staatszuschuß bewilligt war. Es setzte nun eine rege Tätigkeit der Siedler ein. Man begann mit den Ausschachtungsarbeiten der ersten Häuser und auch mit dem Anfahren von Steinen. Was jetzt an Arbeit von den beteiligten Siedlern geleistet wurde, ist in Worten kaum auszudrücken. Nur wer es gesehen hat, kann darüber ein Urteil fällen. Die Firma Hirsch-Kupfer und Messingwerke stellte unentgeltlich alte Gebäude und Ruinen zur Verfügung. So ging es daran Werte zu schaffen. Tausende von Steinen wurden abgebrochen und in den Fundamenten verarbeitet. Neues Material wurde dadurch gespart. Ein anderer Teil der Siedler beschaffte Feldsteine für die Fundamente. Drei Maurer haben sich selbst ihre Häuser gebaut. Schlosser übernahmen ihre Schlosserarbeiten selbst. Die Klempnerarbeiten wurden bei den ersten Häusern von einem beteiligten Klempner ausgeführt. Das Kalklöschen, Sandsieben, Ausfüllen, Schlacke rein bringen, Grundieren, Abschalen und andere Arbeiten wurden von den Siedlern selbst ausgeführt. Jede freie Stunde am Sonntag und Alltag gab es nur noch Arbeit. Nicht nur Männer, sondern auch die Frauen und sogar Kinder betätigten sich. Bei dieser schweren Arbeit mußten doch neben der Bauarbeit noch die zwei Morgen Land bestellt werden. War auch die Siedlung nicht gern gesehen, so wurde doch Abends und Sonntags ein großer Strom von Spaziergängern angelockt. Bei der Arbeit mußte man dann Kritik hören, die nicht geeignet war, die Arbeitslust zu fördern. Es sank einem der Spaten aus der Hand, wenn man sogar von Arbeitern hören mußte – seht ihr eure Dummheit noch nicht ein, so werdet ihr es bald einsehen müssen, daß alle eure Arbeiten vergeblich waren -. Oft mußte man die Reden untereinander mit anhören. Wenn man schadenfroh sagte – die werden hier noch alle rausgejagt -. Doch war wohl jeder Siedler von dem Gedanken durchdrungen, – von einer Scholle, die soviel Schweiß gekostet hat, gibt es gutwillig kein entweichen -. Die Maurerarbeiten hatte Herr Eduard Madel – Bauunternehmer in Lichterfelde – übernommen, der bis jetzt alle Arbeiten zur Zufriedenheit ausführte. Da er Vorstandsmitglied ist, wurde ihm auch die Bauleitung übertragen.
Die ersten Häuser wurden Ende 1921, die letzten dieser Bauserie bis April 1922 bezogen. Der Kaufpreis betrug damals 80 000 M und setzte sich zusammen aus 40 000 M Hypothek von der Kreissparkasse – Landesdarlehn – und einer Resthypothek, die für die Genossenschaft eingetragen wurde. Es sollte nun mit der zweiten Bauserie von sechs Doppelhäusern begonnen werden. Die inneren Arbeiten, was die Geschäftsführung betraf, sollten nach Darstellung des damaligen Geschäftsführers, ehrenamtlich nicht mehr zu überwältigen sein. Darauf hin war zu Anfang des Jahres 1922 seine Anstellung erfolgt und ihm zur Seite auch noch eine jugendliche Kontoristin gestellt worden. Diese Freude war jedoch nur von kurzer Dauer, denn durch Unregelmäßigkeiten, die sich der damalige Geschäftsführer zuschulden kommen ließ, wurde der Genossenschaft ein schwerer Schlag versetzt. Mit der Weiterführung der Geschäfte wurde der bisherige Vorsitzende des Aufsichtsrates, damals neugewähltes Vorstandsmitglied, mit der Geschäftsführung beauftragt. Derselbe führte die Geschäfte ehrenamtlich, neben seinem täglichen Beruf. Daß es jetzt nach dem Bekanntwerden des Vorgefallenen im Geschäftszimmer sehr lebhaft wurde, bedarf wohl keiner weiteren Erörterung, denn in den weitesten Kreisen war doch nun die Meinung vertreten, unsere Genossenschaft sei jetzt erledigt. So wollte nun jeder noch retten, was zu retten war für die Lieferanten der Baumaterialien. Dazu kam noch, daß auch die Geschäftsbücher vernachlässigt waren. So kann doch hier mit Recht gesagt werden, daß der neugewählte Geschäftsführer seit dem Bestehen der Genossenschaft sein wachsames Auge auf alle Vorkommnisse und Handlungen hatte, die die Geschäftsführung betrafen. Unter seiner umsichtigen und sicheren Leitung gelang es auch, nach und nach allen Forderungen wieder gerecht zu werden und auch das Vertrauen bei den Lieferanten für die Baumaterialien wieder herzustellen. Jedoch mußten auch alle Genossen in der freien Zeit zur Arbeit herangezogen werden, um die entstandenen Lücken wieder aufzufüllen. Eine auf Abbruch gekaufte Scheune wurde zum größten Teil von den Genossen abgerissen, auch die schweren Feldsteine aus den Fundamenten herausgebrochen, welche dann geschlagen und zum Bauplatz geschafft wurden. Wenn heute ein Spaziergänger die Häuser mit den Feldsteinfundamenten betrachtet, so ahnt er nicht, welche Arbeit und welcher Schweiß es kostete, um die Steine erst bis an den Erfüllungsort zu bringen. Alle Sparmaßnahmen wurden getroffen und nun auch zwei Ambi Formreihen und eine Ambi Dachziegelmaschine für unseren eigenen Bedarf angeschafft. Jedoch wurde von Ambisteinen nur ein Doppelhaus hergestellt. Dazu wurden auch die Steine von den beteiligten Siedlern hergestellt. Für die Anfertigung von Dachziegeln wurde ein Arbeiter eingestellt. Die Ambi Dachziegelmaschine hat sich auf das Beste bewährt. Jedoch muß bei der Herstellung von Dachziegeln die Zuverlässigkeit des Arbeiters verbürgt sein.
Was nun das Baujahr 1922 anbetraf, ist wohl den meisten, die mit den Zeitverhältnissen bekannt waren, nicht entgangen, welche Zeiten alle Siedlungsgenossenschaften in den Jahren 1922 und 1923 durchlebten. Durch Materialmangel und Geldentwertung hatten auch wir schwer zu leiden. Trotz aller Arbeit gingen die Bauten nicht in dem gewünschten Maße vorwärts. Kamen wir auch nicht zum Stillstand, wie es den meisten unserer Berufsgenossenschaften ging, so war es aber auch nur ein mühsames Bewegen. Kein Mittel blieb von der Geschäftsführung unversucht, um immer wieder einen Schritt vorwärts zu kommen. Man setzte sich mit der Schwerindustrie des Finowtals in Verbindung, um vielleicht hier eine Unterstützung zu erreichen – aber vergeblich. Denn der größte Teil der Ansiedler war ja bei der Firma Franz Seiffert u. Co beschäftigt. Andere Firmen hatten keine Veranlassung, wie zu Anfang die Firma Hirsch Kupfer und Messingwerke, noch mal zu helfen. Es wurde auch eine Eingabe bei der Stadt Eberswalde gemacht, für die freiwerdenden Wohnungen, wie es andere Städte auch täten, eine Entschädigung an uns zu zahlen. Das war auch vergeblich, denn es war ja genug, wenn in Lichterfelde Wohnungen gebaut werden, und Eberswalde durch den Abzug der 5 Familien nach hier, billige Wohnungen zur Verfügung hatte, und nun noch für fünf Eberwalder Familien Häuser gebaut werden sollen. Die Gemeinden Heegermühle und Lichterfelde hatten doch zumindest die Gemeindedrittel für jede freiwerdende Wohnung übernommen, was anzuerkennen war. In dieser Zeit hatten auch die Kreise von der Wohnungsbauabgabe Gelder zur Verfügung, die an Siedlungsbauten verteilt werden sollten. Ein neuer Hoffnungsstern – , da die Lichterfelder Siedlung auch im Kreis Oberbarnim liegt. Warum sollte man nicht hoffen. So wurde diesbezüglich ein Bittschreiben an den Kreisausschuß gerichtet, aber die Gelder waren bereits verteilt. Aber es half nichts, die Finowtal Genossenschaft ließ sich nicht schrecken, auch nicht vom Wege bringen, solange Männer an der Spitze stehen, denen deutsches Blut durch die Adern fließt. So gelang es uns doch trotz aller Hindernisse das bis zum Herbst 1923 wieder sechs Doppelhäuser bezogen waren, also nun schon 26 Familien in unserer Siedlung ansässig sind. Für den Bau weiterer Siedlungshäuser sind bereits Steine gekauft und wir hoffen auch noch die übrigen sieben Doppelhäuser in gemeinsamer Arbeit mit Hilfe der Landbank fertigzustellen. Als Träger des Verfahrens war zuerst die Gemeinde Lichterfelde eingetragen. Dann ging die Trägerschaft an den Kreisausschuß über. Dieser empfahl jedoch die Trägerschaft der Landbank zu übertragen, um schnelleres Arbeiten zu ermöglichen. So wurde die Landbank Träger des Verfahrens. Hoffen wir das es so bleibt, bis das letzte Haus fertig gestellt ist. Das Gelände, auf dem die Siedlung entstanden ist, wurde aus dem Gutsbezirk in die Gemeinde eingemeindet und bringt heute noch einen ansehnlichen Teil an Gemeindesteuern auf. Die zu jeder Siedlung gehörigen Landflächen werden auf das ergiebigste ausgenutzt, um den Bedarf für die Erhaltung der Familien und der im Großen betriebenen Kleintierzucht zu decken. Auch die Obstgärten sind schön angelegt und werden nach einigen Jahren einen guten Ertrag sichern. Ich möchte jedoch noch hinzufügen, daß leider dem Arbeiter wieder die Freude und Sonne, die er in der freien Gottesnatur nach schwerer Fabrikarbeit suchte, durch den 10 Stundentag genommen wird. Jeder Leser dieser Zeilen kann sein Urteil fällen, ob durch die hier geleistete Arbeit, dem deutschen Wirtschaftsleben ein Dienst erwiesen wurde. Die Familien, die sich hier bis jetzt ein Eigenheim geschaffen haben, setzen sich folgendermaßen zusammmen:
Lichterfelde 11 Familien
Eberswalde 5 =“=
Heegermühle 5 =“=
Kupferhammer 1 Familie
Tornow 1 Familie (Flüchtlinge)
aus abgetretenen Gebiet 3 Familien
Schlußwort
Als Verfasser dieser Zeilen möchte ich hinzufügen, daß wohl mancher Leser des Textes der Auffassung sein könnte, daß – da hier alles von der Geschäftsleitung und ihren Mitarbeitern getan wurde, was in ihren Kräften stand -kein Grund zur Unzufriedenheit vorlag. Diese Frage kann ich mit einem festen Nein beantworten. Hatten wir oft halbe Nächte in Sitzungen und Beratungen verbracht, so wurden doch von einem großen Teil der Genossen die Hindernisse und Hemmnisse, die sich uns in den Weg stellten nicht anerkannt. Unsere Arbeit brachte viel Ärger und Verdruß ein und einer nach dem anderen verlor die Liebe zur Mitarbeit. So lagen fast alle Arbeiten in meiner Hand. Hatte ich in meiner Lebenszeit schon viel Erfahrungen über die Menschheit gesammelt, kann ich mit Recht sagen: „Hier habe ich ein Studium über Sinnen und Denken der Menschheit gemacht.“ Doch die Liebe zum Werk war mächtiger als all die bösen Worte hinter meinem Rücken. So wanderte ich oft in warmen Sommernächten, wenn die geschäftlichen Arbeiten erledigt waren und der bewohnte Teil bereits in tiefem Schlummer lag, durch die Siedlung. War auch nur ein Stückchen Mauer gezogen, war es doch eine Freude für mich. Mit dem Gedanken, – nur nicht den Mut verlieren -, gelang es mir durch viel Mühe, die Häuser fertigzustellen. Da sich jetzt wieder viele Leute mit dem Siedlungsgedanken befassen, möchte ich diesen zurufen, daß auch heute nur ein Haus zu verzinsen ist, wenn ein großer Teil an Arbeit selbst geleistet wird. Dazu gehört vor allem Mut, Energie und Ausdauer.
Dazu Rudolf Schmidt:
16. Die Gemeinnützige Siedlungsgenosseschaft
Im Finowtal e. G. m. b. H. (S 190) Die Siedlung dieser am 17. Juni 1920 ins Leben gerufenen Genossenschaft ist das am Wege nach Karlshöhe belegene Neu-Lichterfelde. Es sind 26 Eigenheime, die noch weiter vermehrt werden. Sie sind in eigener Regie der 42 Siedlungsgenossen aufgebaut und machen einen sauberen anheimelnden Eindruck. Es handelt sich um 80 Morgen Land, das in Zwei Morgenstellen aufgeteilt ist. Die Baupläne der Siedlung stammen von Professor Mewes in Berlin. Von den zwei projektierten Dorfauen ist die eine fertig. Die ersten fertigen Häuser konnten Ende 1921 bezogen werden. Seitdem ist rüstig weiter gearbeitet worden. Die zweite Bauserie wurde Ende April 1922 bezogen und bis zum Herbst 1923 konnten trotz widrigster Umstände weitere sechs Doppelhäuser bezugsfertig hergestellt werden. Besondere Verdienste um das Gelingen des ganzen Werkes hat sich der Genossenschaftsgeschäftsführer Wilhelm Daenicke erworben.
Satzung der Genossenschaft: